Manchmal ist es nicht leicht, für seine Meinung einzustehen und sie laut auszusprechen. Drei junge Menschen erzählen uns, warum sie es trotzdem getan haben – und was sie damit bewirken konnten.

Lina, 19: „Ich habe ein Mobbing-Opfer verteidigt“

In meiner Klasse gab es immer die Coolen, die Nerds und eben die, die in keine der beiden Kategorien passten: die Außenseiter, wobei sie von den Coolen weitaus gemeiner betitelt wurden. Sie wurden jeden Tag daran erinnert. Chantal kam in der 9. Klasse neu zu uns und schon das legte man ihr zu Lasten: „Hat wahrscheinlich einen Grund, warum die die Schule wechseln musste“, „Wer weiß, was die sich an ihrer alten Schule geleistet hat“, bis zu: „Lass uns die fertig machen“. Dass wahrscheinlich nur ein Umzug in unsere Stadt der Grund für ihren Schulwechsel war, interessierte meine Mitschüler nicht. Weil sich schnell fiese Gerüchte verbreiteten, wollte sich auch niemand mit Chantal anfreunden. Sie tat mir so leid, denn sie konnte eigentlich nichts dafür. Irgendwann eskalierte die Situation: Jemand, der sich für besonders cool hielt, hatte die Tafel und Chantals Tisch mit Beleidigungen beschmiert. Sie saß stumm und traurig auf ihrem Platz, ihr Blick tief gesenkt auf den Tisch voller Gemeinheiten. Das machte mich so wütend, dass ich kurz vor Unterrichtsbeginn zur Tafel ging und alle Beleidungen wegwischte. Ich sah die Klasse an und konnte es kaum fassen. So brachte ich nur drei kurze Wörter heraus: „Sowas ist armselig!“, sagte ich kopfschüttelnd. Drei Wörter, viele Folgen. Ich hatte zwar keine Chance mehr, in den Kreis der Coolen aufgenommen zu werden, doch das war mir zum Glück sowieso egal. Chantal und ich sind auch jetzt nach der Schule noch befreundet. Wir beide sind durch diese Zeit viel selbstbewusster geworden.

Prince, 18: „Ich habe meinem Lehrer die Meinung gesagt“

Mein ehemaliger Mathematiklehrer ist … das kann ich hier gar nicht sagen, ohne dass es abwertend klingt. Sagen wir mal, er und seine Ansichten stammen aus (zum Glück längst) vergangenen Zeiten. Schon seit Beginn meiner Zeit auf dem Gymnasium durfte ich mir Sprüche von ihm anhören. Wenn ich mich meldete, nahm er mich nicht dran, er sagte Dinge wie: „Sie brauchen in ihrer Zukunft kein Mathe, Hand runter!“, oder „Ihrer Kultur fehlt das mathematische Verständnis“ – absoluten Schwachsinn also. Der krasseste Fall war, als er vor einer Klausur – vor allen anderen Schülern – zu mir kam und sagte: „Bitte deutsche Schriftzeichen verwenden“. Wow! Ich bin hier geboren und kenne gar keine anderen! Ich ließ mir das viel zu lange gefallen, bis dann das Zeugnis kam: Mündlich gab er mir eine 5, obwohl ich mich wirklich in jeder Stunde bemühte. Zuerst war ich sauer und frustriert. Ich dachte, ich hätte keine Chance gegen ihn. Bis mir meine Mitschüler den Rücken stärkten. Sie sprachen mir Mut zu, mich an den Vertrauenslehrer zu wenden. Eine Sache half mir dabei besonders: Alle seine Gemeinheiten hatte ich in meinem Tagebuch notiert. Es kam zu zahlreichen Konfliktgesprächen. Mit meinen Eltern, dem Lehrer, Mitschülern und schließlich der Rektorin. Oft dachte ich, ich würde großen Wirbel um Nichts machen, auch meinen Eltern war die Situation sehr unangenehm. Doch meine Mitschüler standen hinter mir und bestätigten jede einzelne Aussage des Lehrers. Sie machten mir Mut, dafür bin ich sehr dankbar! Und es hat sich gelohnt: Meine Note wurde auf wenigstens eine 3 korrigiert, der Lehrer wurde immerhin offiziell verwarnt. Meine Klasse unterrichtete er danach nicht mehr.

Eine junge Frau hält ihre Daumen runter. Symbol für Nichtgefallen.

Jasmin, 23: „Ich habe einen Maskenverweigerer angesprochen“

Ich fahre jeden Tag mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln. Jeden Tag, dicht gedrängt zwischen tausenden Menschen. Das macht man während einer Pandemie nicht gerne. Aber mir bleibt nunmal keine andere Möglichkeit. Und im Verhältnis ist es vielleicht selten, doch leider wehren sich immer noch viele gegen die Maskenpflicht. Während alle in der Bahn Mund und Nase bedecken, laufen manche seelenruhig durch die Gänge und quetschen sich schlimmstenfalls noch auf den freien Sitz direkt neben dir. Ich finde das unmöglich. Es lässt mich jedesmal den Kopf schütteln. Schon dafür wurde ich oft blöd angemacht. Als sich eine ca. 16-Jährige eiskalt ohne Mund-Nasen-Schutz mir gegenüber hinsetzte, platzte es aber aus mir heraus: „Warum trägst du keine Maske?“, fragte ich sie. Sie sah mich blöd an: „Wieso sollte ich? Weil du das willst?“, fragte sie patzig und wurde dabei immer lauter. Ich erklärte ihr ruhig, dass sie damit andere Menschen gefährden würde und das ziemlich rücksichtslos sei. Erst wiegelte sie ab und redete das Problem klein. Ich blieb aber dran, da beleidigte sie mich und hustete mich sogar absichtlich an. Daraufhin mischte sich eine bestimmt 80-jährige Omi ein und bat sie, die Bahn zu verlassen. Doch das Mädchen weigerte sich vehement. Als aber immer mehr Mitfahrer die Situation mitbekamen und das Mädchen schockiert ansahen, passierte Folgendes: Sie nahm eine Maske aus ihrer Tasche und setzte sie auf. Letztendlich musste sie für die Aktion auch eine Strafe zahlen. Es ist einfach nicht in Ordnung, andere Menschen zu gefärden, nur weil eine Maske zu tragen ein bisschen unangenehm ist. Wer weiß, ob ich bei ihr was erreicht hab, aber ich bereuhe es nicht, meine Meinung ausgesprochen zu haben.

Hast auch du dich getraut – trotz Angst – deine Meinung auszusprechen? Erzähl uns davon auf Instagram oder schick uns eine Mail an info@vigozone.de.