Glückliches und trauriges Emoji

„Bipolar“ ist ein Wort, das im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet wird, obwohl viele Menschen gar nicht wissen, was es bedeutet oder nur eine geringe Vorstellung davon haben. Um zu verstehen, was bipolare Störungen sind, haben wir mit Psychiaterin und Neurologin Frau Dr. Schreckling gesprochen und die wichtigsten Infos für euch zusammengefasst.

Bipolare Störungen (auch „affektive Störungen“) sind Gemütserkrankungen. In Deutschland sind schätzungsweise zwei bis drei Millionen Menschen betroffen: Sie leiden unter starken Stimmungsschwankungen. Die Krankheit verläuft in Phasen zwischen Hochgefühlen (manische Phase) und emotionalen Tiefs (depressive Phase). Darin unterscheiden sie sich von den monopolaren Störungen, in denen es nur depressive Phasen gibt.

Manische und depressive Phasen

Jeder Mensch durchlebt Höhen und Tiefen in seinem Leben. Manchmal gibt es eine Zeit, in der man sich beschwingt fühlt und alles ganz leicht erscheint, manchmal wird einem alles zu viel und erscheint plötzlich viel negativer. Gerade in der Pubertät kommen derartige Stimmungsschwankungen häufig vor. Sie sind nur in seltenen Fällen auf eine Krankheit zurückzuführen.

Bipolare Störungen sind jedoch nicht einfach nur normale Stimmungsschwankungen, die hin und wieder auftreten können, sondern beeinträchtigen das Leben des Patienten sowie seiner Mitmenschen.

Wie äußern sich bipolare Störungen?

Körperliche Anzeichen können sowohl in der depressiven als auch in der manischen Phase Schlafstörungen, ein erhöhter Herzschlag und Gewichtsschwankungen sein. Die psychischen Anzeichen unterscheiden sich in den verschiedenen Phasen jedoch stark. In der manischen Phase kommt es häufig zu Gedankenflüchtigkeit. Das bedeutet, dass die Betroffenen Gedankensprünge haben, die für ihre Zuhörer meist nicht mehr richtig nachvollziehbar sind. Außerdem wirken sie in ihrer Art häufig überheblich.

In der depressiven Phase geschieht genau das Gegenteil: Die Betroffenen haben mit einer Denkhemmung zu kämpfen. Diese kann sich unterschiedlich äußern, zum Beispiel im langsamen Denken, dem Gefühl vergesslich zu sein oder durch mangelnde Konzentrationsfähigkeit.

Bevor eine bipolare Störung diagnostiziert wird, müssen zunächst körperliche Erkrankungen und Substanzmissbrauch (z.B. Drogen, Medikamente) ausgeschlossen werden. Der Facharzt, in diesem Fall ein Neurologe oder Psychiater, klärt außerdem, ob in der Familie des Betroffenen schon psychische Erkrankungen bekannt sind. Auch der bisherige Krankheits- und Lebensverlauf des Patienten ist wichtig, um die Diagnose stellen zu können.

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Ursachen bipolarer Störungen

Für die Entstehung bipolarer Störungen spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Einerseits die genetische Veranlagung, zum Beispiel zu hoher Verletzlichkeit und Empfindlichkeit. Andererseits auch die sogenannten Life-Events, also Schicksalsschläge und Lebenssituationen, in die der Patient hineingeboren wurde oder im Laufe seines Lebens gerät. Beispiele dafür sind Trennungssituationen, ein Arbeitsplatzverlust, Stress oder Kränkungen.

Bipolare Störungen werden meist im Alter zwischen 16 und 25 Jahren diagnostiziert. Die Berufsfindungsphase ist für Betroffene eine kritische Zeit. Beim Übergang von der Schule in das Berufsleben werden psychische Erkrankungen häufig sichtbar. Die Zuordnung der Symptome zu einer bipolaren Störung ist nicht immer einfach, denn teilweise können die gleichen auch bei anderen Verhaltensstörungen auftreten. Außerdem treten im Zusammenhang mit bipolaren Störungen Komorbiditäten auf. Darunter versteht man, dass zu einer bekannten Grunderkrankung ein weiteres abgrenzbares Krankheitsbild hinzukommt. Dabei handelt es sich häufig um polyvalente Suchterkrankungen, also die gleichzeitige Abhängigkeit von Alkohol, Drogen und Medikamenten. Frühwarnzeichen zeigen sich oft schon im Jugendalter. Nicht nur Drogen können hier gefährlich werden, sondern auch andere Abhängigkeiten wie beispielsweise die Internetsucht.

Behandlung bipolarer Störungen

Bipolare Störungen kann und muss man behandeln. Je nach Form der bipolaren Störung kann zuerst die manische oder die depressive Phase auftreten. Die depressive Phase lässt sich gut behandeln. Der Patient erkennt meist selbst, dass etwas nicht stimmt und sucht sich Hilfe oder aber die Angehörigen bemerken die Veränderung und können sich an einen Arzt wenden. In der manischen Phase ist das schwieriger. In diesem Fall sind es meist die Angehörigen, die das Problem erkennen. Der Patient selbst fühlt sich nicht krank und lehnt deshalb eine ärztliche Behandlung zunächst ab. Grundsätzlich lassen sich jedoch beide Phasen mit Medikamenten behandeln, auf die der Patient von einem Facharzt individuell eingestellt werden muss. In der akuten manischen Phase kommen Neuroleptika zum Einsatz, in der depressiven Phase Antidepressiva. Dabei geht es nicht nur um die akute Behandlung einer depressiven oder manischen Phase. Das Spurenelement Lithium und Antiepileptika werden eingesetzt, um die Schwankungen langfristig auszugleichen.

Bipolare Störungen gehören zu den lebensbegleitenden Krankheiten. Um diese in den Griff zu bekommen, muss der Patient lernen, mit Krisen so umzugehen, dass er wenig Stress hat und die Frühwarnzeichen einer aufkommenden Phase erkennt, um ihr mit den richtigen Medikamenten und unter ärztlicher Aufsicht entgegenwirken zu können. Dabei helfen übende Verfahren, wie autogenes Training, bei dem der Betroffene Stressvermeidungstaktiken erlernt.

Wo finden Betroffene Hilfe?

Es gibt Sprechstunden in Kliniken und bei Fachärzten sowie Selbsthilfe- und Angehörigengruppen. Besonders hilfreich sind diese, wenn in der Gruppe ein Psychologe oder Sozialarbeiter anwesend ist. Dann kann auch auf fachliche Fragen eingegangen werden. Beratungsangebote findet man zum Beispiel auch bei den Kassenärztlichen Vereinigungen, gemeindepsychiatrischen Vereinen und dem sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes.