Cindy Klink beim Arbeiten auf der Bühne © Marvin van Beek

„Gehörlose Menschen wünschen sich Geduld, Verständnis, Respekt und Empathie.“

Musik, Fernsehen, Meetings, Kommunikation: Das ist für dich ganz normal? Das ist es nicht für alle Menschen. Deaf Performerin und Influencerin Cindy Klink setzt sich dafür ein, dass gehörlose Menschen ein inklusiveres und barrierefreies Leben führen können – mit genauso viel Respekt, Verständnis und Empathie wie für able-bodied Personen, also Menschen ohne Behinderung. Im Interview erzählt sie, welche Herausforderungen sie im Alltag hat, welches Verhalten sie sich von ihren Mitmenschen wünscht und wie wir Awareness und eine gerechtere Gesellschaft schaffen.

Redaktion: Cindy, wie du bist du da hingekommen, wo du heute bist?

Cindy: Mit drei Jahren habe ich aufgrund eines Gendefektes mein Gehör verloren. Meine Eltern waren ebenfalls beide gehörlos. Aufgewachsen bin ich zweisprachig: Meine Muttersprachen sind die deutsche Gebärdensprache und die deutsche Lautsprache.

Cindy Klink

© Fuchs Photographie

Ich habe eine Schule für Hören und Kommunikation besucht – wo ich lautsprachlich unterrichtet wurde, da die Lehrer keine Gebärdensprache beherrschten – und schließlich meinen Realschulabschluss und eine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte gemacht. Während ich in Vollzeit arbeitete, habe ich das Abendgymnasium besuchte und mein Abi nachgeholt. Mittlerweile studiere ich Rechtswissenschaften.

2015 habe ich mit Social Media angefangen, erst Facebook und später YouTube, wo ich unter anderem Lieder in Gebärdensprache gepostet habe. Ein paar Jahre später bin ich auch auf TikTok und Instagram durchgestartet. Die Dinge nahmen ihren Lauf, mein Publikum und meine Community sind gewachsen. Inzwischen bin ich hauptberuflich Deaf Performerin. Das heißt: Ich stehe live auf Bühnen und übersetze Lieder auf Konzerten in Gebärdensprache. Nebenbei arbeite ich auch als Schauspielerin, als Tutorin an der Uni Bonn und ehrenamtlich für verschiedene Projekte.

Redaktion: Deutschland hinkt in Sachen Inklusion leider oft hinterher. Welche Veränderung würdest du sofort umsetzen, wenn du könntest?

Cindy: Ich würde sofort Gebärdensprache als Fremdsprache in Schulen einführen.

Redaktion: Was heißt für dich Allyship?

Cindy: Allyship ist eine grundlegende Haltung zu sozialer Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Für mich persönlich bedeutet es, die Stimmen und Anliegen marginalisierter Gruppen anzuerkennen, anzuhören und zu unterstützen, ohne die eigenen Privilegien zu leugnen oder zu ignorieren. Es heißt, sich solidarisch zu zeigen und Unterstützung zu leisten, um Gemeinschaft und eine inklusivere Gesellschaft zu schaffen. Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass Ungerechtigkeiten existieren, und aktiv daran zu arbeiten, diese abzubauen, sei es durch Bildung, Interessenvertretung, Empowerment oder die Bereitstellung von Ressourcen. Das ist ein Lernprozess: Er erfordert kontinuierliche Selbstreflexion, das Lernen über die Erfahrungen und Perspektiven anderer und die Bereitschaft, sich in schwierigen Gesprächen und Situationen einzusetzen, um positive Veränderungen zu bewirken.

Redaktion: Wo wünschst du dir mehr Repräsentation?

Cindy: In vielen Lebensbereichen ist mehr Diversität und Repräsentation entscheidend – neben dem Bildungsbereich vor allem auch in der Politik, sei es in Parlamenten, Regierungen oder kommunalen Gremien. Eine vielfältige Gruppe von Entscheidungsträgern aus unterschiedlichen sozialen, kulturellen und ethnischen Hintergründen kann dazu beitragen, dass die Bedürfnisse und Anliegen aller Menschen in der Gesellschaft gehört und berücksichtigt werden.

Redaktion: Was sind Alltagshürden, über die able-bodied Menschen nicht mal nachdenken?

Cindy: Die größte Schwierigkeit ist die Kommunikation. Ich kann mit einem Cochlea-Implantat zwar hören, doch gehörlos bin ich weiterhin – viele verstehen das nicht und denken, ich sei geheilt. Doch ich werde niemals genauso gut hören wie able-bodied Menschen. Und wenn die Batterien leergehen oder ich das Implantat ablege, bin ich gehörlos.

Die Gebärdensprache ist für mich genauso natürlich wie das Sprechen für hörende Menschen, aber nicht jeder versteht sie und weiß, wie wichtig sie ist. So entstehen häufig Missverständnisse, was frustrierend sein und dazu führen kann, dass ich mich isoliert fühle. Ein weiteres Problem ist der Zugang zu Informationen. Vieles wird mündlich weitergegeben, sei es in Durchsagen oder Gesprächen, Meetings oder Veranstaltungen. Ich bin auf Technologie, Untertitel, schriftliche Informationen oder Gebärdensprachdolmetscher angewiesen, um alles zu verstehen.

Redaktion: Was wünscht du dir von deinen Mitmenschen?

Cindy: Diese Dinge schätzen wir gehörlosen Menschen:

Geduld und Verständnis: Kommunikation dauert bei uns manchmal länger. Es hilft, wenn Menschen um uns herum geduldig sind und sich Zeit nehmen, um sicherzustellen, dass wir uns gut verständigen können.

Respekt für unsere bevorzugten Kommunikationsmittel: Viele von uns verwenden die Gebärdensprache oder schriftliche Kommunikation, um sich auszudrücken. Es ist wichtig, dass andere diese Wahl respektieren und unterstützen.

Die Bereitschaft zur Verständigung: Manchmal müssen wir gemeinsam alternative Wege finden, um uns zu verständigen. Flexibilität in der Kommunikation kann Barrieren abbauen und das Miteinander erleichtern.

Die Schaffung barrierefreier Umgebungen: Das bedeutet, dass Veranstaltungen und öffentliche Orte so gestaltet sein sollten, dass wir uns problemlos bewegen und Informationen erhalten können. Technologien wie Untertitel oder Gebärdensprachdolmetscher sind oft notwendig.

Inklusion und Empathie: Das Gefühl, dazuzugehören und verstanden zu werden, ist für uns sehr wichtig. Wenn Menschen sich bemühen, uns in soziale Aktivitäten und Gespräche einzubeziehen, stärkt dies unser Gefühl der Zugehörigkeit.

Und schließlich das Bewusstsein für individuelle Kommunikationsbedürfnisse: Es ist entscheidend, zu wissen, dass nicht alle gehörlosen Menschen die gleichen Bedürfnisse haben.

Redaktion: Sollten alle Menschen Gebärdensprache können?

Cindy: Ja.

Redaktion: In welchem Bereich, denkst du, könnte mehr gemacht werden?

Cindy: Ein Bereich, der meiner Meinung nach dringend mehr Aufmerksamkeit benötigt: die Erforschung der Geschichte und Kultur der Gehörlosen. Es ist bemerkenswert, dass es hier immer noch einen erheblichen Mangel an Forschung und Ressourcen gibt. Die Gehörlosengemeinschaft hat eine reiche und vielfältige Geschichte, die oft übersehen oder vernachlässigt wird. Es gibt so viele interessante Aspekte zu erkunden, wie die Entstehung und Entwicklung der Gebärdensprache, die Geschichte der Bildung für Gehörlose, die Beiträge gehörloser Menschen in Kunst, Wissenschaft und Politik und vieles mehr. Leider gibt es nur wenige Institutionen und Forscher, die sich aktiv damit Thematik befassen.

Cindys Geschichte: Inspiration und Impuls für uns alle

Was wir aus Cindys Erfahrungen für uns mitnehmen können: dass wir alle ein bisschen mehr Geduld, Respekt, Empathie für die Lebensrealitäten anderer Menschen aufbringen sollten, auch wenn es manchmal anstrengend ist. Dass jeder von uns einen kleinen Beitrag leisten kann, um mehr auf die Bedürfnisse Gehörloser oder anderer disabled Personen einzugehen, damit sich alle Menschen eingeschlossen und als Teil der Gemeinschaft fühlen – für mehr Inklusion und Zusammengehörigkeit.