Junge Frau mit psychischen Problemen © Prostock-studio/AdobeStock

Ein Viertel der 14- bis 29-jährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland hat psychische Probleme. Das hat die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ ergeben. Sind Stress, Depressionen oder Ängste so massiv, dass sie deinen Alltag und deine Beziehungen stark einschränken, brauchst du vielleicht psychologische Hilfe.

 

Wenn deine Gefühle dein Essverhalten negativ beeinflussen, du innere Zwänge verspürst, du dich extrem ungesund oder selbstverletzend verhältst, du Ängste hast, die deinen Tag bestimmen, oder du den Eindruck hast, du fällst innerlich auseinander: Dann ist das alles ein Zeichen dafür, dass es dir psychisch nicht gut geht.

Brauche ich eine Psychotherapie?

Diese Frage musst du dir nicht selbst beantworten. Sprich mit einer Person deines Vertrauens oder deinem Hausarzt darüber, wie es dir geht, und hol dir einen Rat. Wichtig: Du brauchst keine Überweisung von deinem Hausarzt, um herauszufinden, ob du Anspruch auf eine ambulante Psychotherapie hast. Der erste Schritt ist der Besuch einer psychotherapeutischen Sprechstunde. Die muss jeder Psychotherapeut mit Kassenzulassung regelmäßig anbieten. Hilfe bei der Terminvereinbarung bekommst du bei der Terminservicestelle der Kassenärztlichen Bundesvereinigung unter www.116117-termine.de oder telefonisch unter 116117. Sie vermittelt dir innerhalb von vier Wochen einen Sprechstundentermin in Wohnortnähe.

Du kannst aber auch einfach einen Psychotherapeuten in deiner Nähe googeln oder Freunde fragen, ob sie jemanden empfehlen können. Dort rufst du an und fragst nach einem Termin für eine Erstberatung. Deine Krankenkassenkarte musst du dafür natürlich mitnehmen. Nicht mitnehmen musst du deine Eltern, wenn du über 15 Jahre alt bist.

Wie schnell bekomme ich einen Therapieplatz?

Nach der psychotherapeutischen Sprechstunde erstellt der Therapeut einen Befundbericht für dich und die Krankenkasse. Auf diesem DIN-A-4-Formular kreuzt der Therapeut an, ob eine Therapie die richtige Behandlung ist und wie dringend diese ist. Steht dort, dass die Therapie so schnell wie möglich beginnen sollte, ist die 116117 für dich wieder die richtige Adresse. Sie vermittelt dir einen wohnortnahen Termin zur Akutbehandlung. Diese umfasst 12 therapeutische Sitzungen á 50 Minuten, die innerhalb von zwei Wochen beginnen müssen. Notfalls kann auch eine ambulante Behandlung in einer Klinik vermittelt werden.

Steht im Befund, dass zwar keine Akutbehandlung erforderlich ist, die probatorischen Sitzungen zur Einleitung einer längeren Psychotherapie aber dennoch eine hohe Dringlichkeit haben, muss die 116117 dir innerhalb von vier Wochen einen Termin vermitteln.

Stellt der Psychotherapeut bei der Erstberatung in der psychologischen Sprechstunde fest, dass eine eventuelle Wartezeit auf einen Therapieplatz medizinisch zu vertreten ist, musst du selbst nach einem Therapieplatz suchen. Eine Liste mit Psychotherapeuten in deiner Nähe findest du hier. Das funktioniert, indem du – oder deine Eltern oder eine andere vertraute Person – die infrage kommenden Therapeuten abtelefonierst. Hier musst du eine gewisse Wartezeit in Kauf nehmen. Stellst du fest, dass es dir währenddessen immer schlechter geht, geh unbedingt noch einmal in die psychotherapeutische Sprechstunde. Dort wird gecheckt, ob du nicht doch Anspruch auf Akutbehandlung hast.

Was sind probatorische Sitzungen?

Als gesetzlich versicherter Jugendlicher unter 21 Jahren kannst du an bis zu sechs probatorischen Sitzungen teilnehmen. Das sind Probesitzungen, die jeder Psychotherapeut anbietet, der einen Vertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen hat. Wenn du mit der psychotherapeutischen Sprechstunde zufrieden warst, kannst du – wenn in deinem Befund Dringlichkeit steht – in derselben Praxis mit den probatorischen Sitzungen weitermachen, sofern diese Praxis freie Termine hat. Wenn nicht, musst du dich wieder an die 116117 wenden, damit sie dir einen Termin vermittelt.

Stellst du in den ersten probatorischen Sitzungen fest, dass ihr – dein Therapeut und du – nicht harmoniert, darfst du wechseln. Einen neuen Termin bekommst du über die 116117, wenn sie dir schon beim ersten Mal bei der Terminsuche geholfen hat. Ansonsten muss du dich selbst dahinterhängen.

Dein Therapeut kann nach der zweiten probatorischen Sitzung, wenn er konkreten psychotherapeutischen Behandlungsbedarf bei dir sieht, einen Antrag auf Genehmigung einer Kurzzeit- oder einer Langzeittherapie bei deiner Krankenkasse stellen; daraufhin wird die Krankenkasse allerdings deine Eltern informieren. Das ist gesetzlich so vorgesehen. Bei Antrag auf Genehmigung einer Langzeittherapie ist ein therapeutisches Gutachten erforderlich. Außerdem muss dein Kinder- oder Hausarzt bei der Antragstellung einen Bericht über deinen körperlichen Gesundheitszustand erstellen. Der Psychotherapeut ist jedoch immer an seine Schweigepflicht gebunden, es sei denn, du befreist ihn gegenüber deinen Eltern davon.

Was mache ich bei langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz?

Wenn in der psychotherapeutischen Sprechstunde festgestellt wird, dass Wartezeiten auf eine Psychotherapie bei dir medizinisch vertretbar sind, kann es sein, dass du sehr viel herumtelefonieren musst, bevor du überhaupt zu deiner ersten probatorischen Sitzung gehen kannst. Das ist frustrierend und es kann dir mit der Zeit auch schlechter gehen. In diesem Fall kontaktiere unbedingt deinen Kinder- oder Hausarzt, er wird versuchen, dich mit Überbrückungsangeboten zu unterstützen oder dir raten, noch einmal in die psychotherapeutische Sprechstunde zu gehen. In akuten emotionalen Notfällen stehen die Telefonseelsorge oder die Nummer gegen Kummer als Gesprächspartner für dich bereit. Außerdem gibt es für bestimmte psychische Erkrankungen Beratungsstellen, die dir während der Wartezeit helfen können. Eine schnell zugängliche Alternative kann auch die gruppentherapeutische Grundversorgung sein. Diese Gruppentherapie-Angebote müssen nicht extra bei der Krankenkasse beantragt werden. Hier kannst du je Krankheitsfall bis zu vier Mal jeweils 100 Minuten teilnehmen.

Wie merke ich, ob mein Therapeut zu mir passt?

Hast du einen ambulanten Therapieplatz gefunden, geht es darum, Vertrauen aufzubauen. Das funktioniert am besten, wenn ihr euch sympathisch seid und du das Gefühl hast, dich dem Therapeuten öffnen zu können. Weil du das nicht nach den ersten fünf Minuten am Telefon wissen kannst, gibt es die oben erwähnten probatorischen Sitzungen zum Ausprobieren. Stellst du fest, dass es nicht passt, kannst du den Therapeuten unter bestimmten Voraussetzungen jederzeit wechseln. Am besten ist, du besprichst das dann mit deiner Krankenkasse.

Hat es für mich Nachteile, wenn ich mit einer Therapie beginne?

Es halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach es zum Beispiel für eine Verbeamtung Voraussetzung ist, niemals in einer therapeutischen Behandlung gewesen zu sein. Das ist pauschal nicht so. Vielmehr liegt die Beweislast beim eventuell eingeschalteten Amtsarzt. Er müsste beweisen, dass du aufgrund der Schwere einer konkreten psychischen Erkrankung nicht für den Beamtenstatus geeignet bist. Hintergrund ist, herauszufinden, ob du eine Beamtenlaufbahn durchalten kannst, ohne allzu häufig arbeitsunfähig zu sein oder vorzeitig berufsunfähig zu werden – das würde den Steuerzahler viel Geld kosten.

Knifflig wird es tatsächlich, wenn du eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchtest. Hier musst du deine Krankheitshistorie wahrheitsgemäß angeben – und eine Psychotherapie kann ein Ausschlussgrund sein oder dafür sorgen, dass du höhere Versicherungsbeiträge leisten musst.

Solltest du in solche Situationen kommen, kannst du dir immer noch rechtliche Unterstützung suchen. Deshalb aber in einer seelischen Notsituation vorsorglich auf eine Therapie zu verzichten, wäre für deine Gesundheit wahrscheinlich gar nicht gut. Denk lieber an das Hier und Jetzt.

Wie offen sollte ich über meine Therapie reden?

Wenn du anderen erzählst, dass du in Therapie bist, trägst du zu einer Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen bei und machst ihnen Mut, eine Therapie zu beginnen. Vielleicht lernst du so auch Leute kennen, denen es ähnlich geht wie dir. Überleg aber trotzdem gründlich, wem du was erzählst, da solche Themen gerade im schulischen und beruflichen Umfeld auch Anlass zu Mobbing sein können oder zur vorschnellen Annahme führen, du seiest nicht „belastbar“.

 

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Denk immer daran: Ein frühzeitiger Therapiebeginn kann dazu beitragen, einer chronischen Störung erfolgreich entgegenzuwirken. Gerade bei Essstörungen zum Beispiel ist das sehr wirksam.

 

Weitere hilfreiche Links

Für allgemeine Infos zur Psychotherapie:

www.wege-zur-psychotherapie.org

Für die Psychotherapie-Suche:

www.therapie.de

www.psychotherapiesuche.de

www.dptv.de

Für Hilfe beim Umgang mit schwierigen Emotionen oder Krisen:

www.gefuehle-fetzen.de

www.dajeb.de

http://www.kindernetzwerk.de/