Junge Frau macht ein Selfie mit Beautyfilter © Eugenio Marongiu/AdobeStock

Makellosigkeit bis zur völligen Entfremdung vom eigenen Körper: KI-optimierte Face-Filter sind so perfekt, dass sich die User nicht einmal selbst wiedererkennen.

30 Minuten schminken mit Kosmetikprodukten im Wert von X Euro – oder lieber drei Sekunden in ein Selfie investieren, das mit dem richtigen Beautyfilter auf Anhieb perfekt aussieht? Wobei: Was ist schon „perfekt“? Ist das noch deine Entscheidung, dein Geschmack? Oder lässt du den Filter darüber entscheiden?

„Bold Glamour“ – erschreckend perfekt

Der Anfang 2023 releaste „Bold Glamour“-Filter auf TikTok verwandelt dein Gesicht in eines mit makelloser Haut, ohne Pickel, mit vollen Lippen, dichten Wimpern und einer schmalen Nase. Wer dich nur auf Social-Media-Plattformen, aber nicht in echt erlebt, dem fällt eventuell gar nicht auf, dass du einen Filter benutzt hast. Bist du in der Rolle des Betrachters, denkst du vielleicht, alle sind schöner als du. Das kann passieren, weil du gar nicht mehr siehst, wo der Fake durch den Filter anfängt. Viele Influencerinnen reagierten schockiert auf den „Bold Glamour“-Release, nachdem sie den Filter das erste Mal selbst ausprobiert hatten: Sie erkannten sich selbst nicht wieder.

Die Technik dahinter ist mittlerweile so gut, dass der Filter alle Bewegungen fließend wiedergibt, selbst wenn sich der User dabei ins Gesicht fasst. Die Zeiten starrer Masken oder zerrissener Darstellungen sind vorbei.

Bildbearbeitung offenlegen? In Norwegen Pflicht

Natürlich ist es leichter für andere User, den Einsatz eines Beautyfilters zu erkennen, wenn der verwendete Filter oben im Posting angezeigt wird. Aber, wer nicht als Fake dastehen will, lädt das Filtervideo herunter und dann – ohne Filterverweis – ganz einfach wieder hoch.

In Norwegen ist es mittlerweile Pflicht, die Bildbearbeitung und den Einsatz von Filtern in der Werbung zu kennzeichnen. So ist zumindest auf den ersten Blick erkennbar, dass das Ganze Fake ist. Ziel ist es, auf diese Weise „Körperdruck“ von den Kindern und Jugendlichen zu nehmen. Das ist schon einmal ein guter Schritt. Aber wäre es nicht fair, wenn außerdem jeder Influencer als Vorbild freiwillig angibt, dass und wie er seine Bilder bearbeitet?

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Was ist wirklich schön?

Die Frage ist auch: Wollen wir wirklich ein KI-Produkt wie „Bold Glamour“ entscheiden lassen, was schön ist? Sind volle, geschminkte Lippen und schmale Nasen wirklich erstrebenswert? Und machen uns unsere Zahnlücken, Sommersprossen oder ein abstehendes Ohr nicht eher einzigartig? Unique?

Sicher, Äußerlichkeiten wie eine blühende Akne im Gesicht können dich so richtig nerven. Aber: Es gibt Ärzte wie Hautärzte oder Gynäkologen, die dir helfen können, oder Kosmetikerinnen, die dir Tipps geben, wie du das geschickt überschminken kannst. Denk immer daran: Vieles ist nur eine Phase, eine Frage der Zeit. Viel wichtiger ist, was du denkst, fühlst und was du sagst. Wer sich selbst liebt und akzeptiert, strahlt von innen heraus. Wie es um deine Selflove steht, kannst du hier testen.

Du hast sicherlich auch diese eine Freundin oder diesen einen Freund, die oder den du vielleicht an sich gar nicht so extrem hübsch findest. Und doch ist dieser Mensch einfach unglaublich toll – kreativ, unterhaltsam, mitreißend, gut für dich und einfach einzigartig.

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Dr. Fanny Dietel

Psychologische Psychotherapeutin

Kein Bock auf Beautyfilter?

Dr. Fanny Dietel ist psychologische Psychotherapeutin an der Universität Osnabrück. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Körperunzufriedenheit, Essstörungen und körperdysmorphe Störungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Hier sind ihre Tipps, wie du dich von Schönheitsidealen abgrenzen kannst:

  • Prüfe, wem du auf Social Media folgst! Wenn du Accounts und/oder Influencern folgst, die Schönheitsideale oft und stark thematisieren, dann werden dir Algorithmen auch häufiger diese Inhalte vorschlagen. Hier hilft es, bewusst Accounts zu folgen, die #bodypositivity vermitteln, eine Vielfalt an Schönheit betonen oder sich mit anderen Themen außerhalb von Schönheit beschäftigen.
  • Geh öfter offline! Studien zeigen, dass uns lange Zeiten am Handy und auf Social Media körperunzufriedener und deprimierter machen. Gib dir öfter eine Auszeit von Social Media und lenke deine Aufmerksamkeit auf andere Aktivitäten, die dir Spaß machen und dich erfüllen.
  • Sei dir bewusst: Schönheit ist vielfältig! Beautyfilter zeigen uns häufig ein stark einseitiges Bild von Schönheit. Mache dir immer wieder bewusst, dass Schönheit viele Facetten hat, und sich nicht nur äußerlich zeigt, sondern auch über andere Aspekte, zum Beispiel die Persönlichkeit. Geh einmal mit offenen Augen durch die Welt und frage dich: Was ist schön für mich? Lass dich dabei alleine von deinen eigenen Eindrücken leiten, und nicht davon, was andere meinen.
  • Sei natürlich und authentisch! Wir können zusammen mitbestimmen, wie Schönheit in unserer Gesellschaft gesehen wird, und wie wichtig sie im Zusammenleben ist. Wenn du dich auf Social Media und im realen Leben bewegst, zeig dich auch bewusst natürlich und authentisch – du gibst dadurch anderen eine Chance, dich wirklich kennen zu lernen. Es ist erstaunlich, was das für deine Freundschaften und Beziehungen tun kann!
  • Schließe Freundschaft mit deinem Körper! Schönheitsideale sind meistens nur eins – unrealistisch und übertrieben. Gerade, wenn sich dein Körper verändert, kannst du dich jedoch unsicher mit ihm fühlen und bist für Idealvorstellungen anfälliger. Hier hilft es, deinen Blickwinkel zu ändern – du kannst dich etwa fragen: Was kann ich mit meinem Körper alles tun? Was erlaubt er mir jeden Tag? Wenn du magst, probiere öfter etwas Neues mit deinem Körper aus: eine neue Sportart, ein neues Wellnesspaket, oder worauf auch immer du Lust hast. Das Ziel dabei soll nicht Selbstoptimierung sein, sondern vor allem eins: Ausprobieren und Spaß haben!

Unter dem Instagram-Account des Fachgebiets Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Osnabrück gibt es regelmäßig Tipps zum Umgang mit Körperunzufriedenheit, Social Media & Co. sowie aktuelle Studien zum Thema.

https://www.instagram.com/koerperbildforschung/

Wenn du nur noch über deinen Körper nachdenkst

Wusstet ihr, dass Menschen, die sich täglich mehr als eine Stunde kritisch mit ihrem Äußeren auseinandersetzen, potenziell eine körperdysmorphe Störung entwickeln können? Dabei wird ein subjektiv empfundener, entweder faktisch gar nicht vorhandener oder vom Betroffenen übertrieben wahrgenommener Schönheitsmangel ins Zentrum des Denkens und Handelns gesetzt. Wenn du jetzt denkst: „Okay – das bin doch ich“, sprich mal mit deinem Hausarzt oder Therapeuten darüber.